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Rezension

Wann ist der neue Roman denn endlich da? - Wann ist er fertig - war doch schon lange angekündigt.

Der für meine Generation vermutlich sehr wichtige Autor Neil Gaiman hat in einem seiner Online-Schreibkurse mal gesagt, dass man irgendwann einmal einen definitiven Schlussstrich unter alle Recherchen setzen sollte. Sonst wird man nie fertig. Da hat er wohl recht.

Dazu kommt aber noch ein anderer Aspekt. Das Hauptthema meines Buches ist ein ganz schmaler Grad, den ich nur bedingt meistere und der sehr viel Nacharbeit erfordert. Die fiktive, historische Handlung basiert auf Ungereimtheiten der Deutschen Geschichte zwischen 1945 und etwa 1983. Meine Fantasie könnte dabei als "Verschwörungstheorie" missgedeutet werden. Als ich mit dem Text angefangen habe, war das noch kein Thema, aber die letzten Jahre haben Verschwörungstheorien in ein anderes Licht gerückt. Wie grenzt man sich da ab? Wie macht man der Leserschaft klar, dass ich nichts mit Querdenkern und Verschwörungstheoretikern am Hut habe? Ich kann natürlich sagen, dass ich völlig logisch vorgehe, die Konstrukte der Geschichte schlüssig, plausibel und nachprüfbar sind. Aber ist nicht genau die Logik und die Schlüssigkeit das Feindbild dieser Querdenker?

Wie gesagt - ein schmaler Grad und dünnes Eis. Neben den üblichen Gedanken, die man sich über Plot und Handlung macht (von Rechtschreibnung und Grammatik mal ganz abgesehen), kommt also der stetige Gedanke hinzu, alles Fallen eines Missverständnisses umgehen zu wollen.

Aber zurück zur nicht enden wollenden Recherche ...

Ich habe unzählige Artikel und Medien zu den wichtigen Themenbereichen gesammelt und ausgewertet. Aber immer wieder kommen neue Teilaspekte hinzu. Eine Aufstellung der wichtigsten Medien, die ich rezensiert habe, finden sich hier unter "Work in Progress - Aktuelle Recherche". Und das ist nur ein Teil. Ich hatte die Recherche schon mehrfach für abgeschlossen erklärt, als immer noch etwas hinzukam. Und auch jetzt muss ich wieder etwas hinzunehmen, was vieles wieder durcheinander bringt und eine Neuordnung erfordert.

Fernschreiben 827

Von Georg Bönisch und Sven Röbel

Grund ist die Lektüre des Buches "Fernschreiben 827 - Der Fall Schleyer, die RAF und die Stasi". Der Untertitel suggeriert bereits einen Zusammenhang, den man nach der Lektüre für eine Tatsache hält. Autoren sind Georg Bönisch und Sven Röbel - beide SPIEGEL Redakteure. Bönisch war 1977 Redakteur der "Kölnischen Rundschau" und hat damals den Tipp zu dem vermeintlich verschlampten "Fernschreiben 827" erhalten.

Das Buch ist eine sehr komprimierte und mit vielen Anekdoten versehene Zusammenfassung des "Deutschen Herbstes 1977". Wir erfahren einige Dinge, die mir neu waren. Dass das RAF-Logo gegen Bezahlung von einem mit Ulrike Meinhof befreundeten Studenten entworfen wurde, Gudrun Ensslin gehörte zum Wahlkampfteam von Günter Grass, der sich damals für Willy Brandt engagierte und ein Andreas Baader hat überall behauptet, er habe als hochbegabter Abitur gemacht - was natürlich die Lüge eines Großmauls war.

Die entscheidende Geschichte ist aber die um das Fernschreiben 827, welches in allen RAF-Dokumentationen immer wieder auftaucht. In diesem Fernschreiben war eindeutig dargestellt, in welchem Versteck Schleyer nach dem brutalen Überfall in Köln am 05. September 1977 festgehalten wurde. In einem Wohnkomplex in Köln Liblar. Bisher, so nahm man an, war das Fernschreiben einfach verschlampt worden und untergegangen. Die Chance, Schleyer zu befreien, wurde so vertan - alles nur wegen einer bürokratischen Schlamperei?

Nach diesen Recherchen eben nicht. Schon seit 1974 hat in dem Gebäudekomplex "Zum Renngraben 8" ein Ehepaar gewohnt, dass bei für die Stasi in der HVA ("Hauptverwaltung Aufklärung") gearbeitet hat und mit Tarnidentäten hervorragend im Westen integriert war. Michael und Hannelore Schall (eigentlich Manfred Hier und Elke Koldzey) lebten unauffällig im Westen - Hannelore Schall war eine besonders wertvolle Mitarbeiterin der Stasi, denn als leitende Sachbearbeiterin im Einwohnermeldeamt arbeitete sie an der Quelle für Angelegenheiten die man brauchte, um mit wenig Risiko für andere Genossen und Genossinnen ebenfalls Tarnidentitäten zu schaffen. Viele Bereiche in Westdeutschland waren mit solchen Kundschaftern infiltriert - gerade der Kölner/Bonner Raum war ein Mekka von Stasi-Spitzeln. Akten der Stasi belegen heute, dass die Stasi über fast alle Aktivitäten der Polizeibehörden informiert gewesen war - Quellen dürften die Kundschaften in diesen Büros gewesen sein.

Was also wie eine "Panne von Provinzpolizisten" (Helmut Schmidt) aussah, war also möglicherweise viel mehr. Es ist nicht beweisbar, aber die Schlussfolgerung ist wirklich nahe liegend. Zumal es historisch eindeutige, haarsträubende Beweise dafür gibt, wie tief die Stasi in den westlichen Machtbereich vorgedrungen war. Kurras, der Mörder von Benno Ohnesorg, war unter dem Decknamen IM "Otto Bohl" ein hocheffizienter Stasi-Spitzel in der Westberliner Polizei. Günter Guillaeume war Referent bei Bundeskanzler Willy Brandt und eng befreundet mit der Familie. Und Ellen Rometsch war die Geliebte von John F. Kennedy - sein Bruder Robert Kennedy musste die Agentin samt Ehemann aus den USA ausweisen. Diese drei wesentlichen Elemente - und es sind keine Theorien, es sind belegbar, bekannte Tatsachen - sind Teil meiner Roman-Struktur. Wie abwegig ist dann anzunehmen, dass im Westen in der Verwaltungsbereichen agierende Stasi-Agenten das Fernschreiben 827 haben verschwinden lassen? Es ist nicht abwegig. Weder historisch und erst recht nicht als belletristisches Motiv.

Das also muss noch mit in die Handlungsstruktur aufgenommen werden. Erst dann kann sich der Schreibprozess wirklich einem Ende nähern. Man könnte die Fantasie ja noch mehr ausdehnen - waren das Stasi-Ehepaar in dem Wohnkomplex nur passiv zugegen oder gab es gar Kontakte zwischen der Stasi und den Terroristen vor Ort? Dafür gibt es keine Belege, aber der Gedanke, hierzu einige Kapitel zu schreiben, die sich um eine fiktive Handlung zu diesem Umstand drehen, ist sehr reizvoll ... .

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